Das Auto des Monats

Auszug aus Ausgabe August 1998
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Redaktion

Nichts ist unmöglich...

Toyota Landcruiser BJ40 von Waldemar Schmidt


Der Toyota BJ 40 von Waldemar Schmidt
ist das Ergebnis von 10 Jahren Arbeit.
Wo dieses Auto ist, ist auch ein Weg.

Kein Problem: Das Schraubenfeder-Fahrwerk
verschränkt seine Achsen ausgezeichnet.

Kaum zehn Jahre benötigte unser Leser Waldemar Schmidt, um seine persönliche Interpretation des Begriffs "Funcar" in die Praxis umzusetzen. Das beeindruckende Ergebnis ist ein Landcruiser, neben dem ein ausgewachsener Mercedes G wie ein Kleinwagen aussieht.

 


Saft und Kraft: Mit dem Turbo-Diesel verliert auch tiefer Schlamm seine Schrecken.
Zu manchen Autos baut man eine persönliche Beziehung auf. Als Waldemar Schmidt eines schönen Tages im Jahre 1988 einen gebrauchten und schon etwas betagten '78er Landcruiser BJ40 erwarb, hatte der Mann von Geländewagen noch nicht viel Ahnung. Der Toyota war sein erster Allradler. Was dem braven Landcruiser noch bevorstehen sollte, konnte keiner ahnen, doch der Gelände-Virus hatte auch bei Waldemar ganz schön hartnäckig zugeschlagen.
Erfahrungen, die der Oberbayer
bei immer neuen Abenteuern
mit Freunden und Clubkameraden auf Geländetouren und Wettbewerben gewann, flossen unaufhörlich in den Toyota ein, der damit zwar zur ewigen Baustelle wurde, aber zu jeder Zeit für reichlich Freude bei Besatzung und Zuschauern sorgte. In immer neuen Umbauarbeiten näherte sich der Landcruiser dem fernen Ziel,
perfekt zu werden.
Wir besuchten den "unvollendeten"
in seiner derzeitigen Form
und sahen ihm unter's Blech.

Handarbeit:
Im Gelände darf man nicht zimperlich sein.

Lange Entwicklung: Zehn Jahre Arbeit hat Waldemar Schmidt in seinen Monster-Toyota gesteckt
So, wie wir den Landcruiser vorfanden, hatte er gerade die aktuelle "Super Sylvania-Trophy" hinter sich gebracht. Deren Vorgänger-Veranstaltung hatte Waldemar bereits in den Jahren zuvor unter die Räder genommen.
Die verhältnismäßig geringen Kampfspuren am Toyota gegenüber den vergängenen Jahren zeugen vom Reifegrad des Projekts -
denn unbeschädigt kehrt von dieser Veranstaltung kein einziges Auto heim.
An Waldemars Toyota blieb keine Schraube,
keine Leitung und kein Blechteil unberührt. Begonnen bei der notwendigen Karosserie- Restaurierung: Ab den Vordersitzen wurde sämtliches Blech selbst angefertigt, die maroden Originalteile waren irgendwann einfach zerbröselt. Auch die Halbtüren schnitzte Waldemar selbst. Der Rest des Fahrzeugs setzt sich aus dem halben Geländewagenprogramm der japanischen Marke zusammen: Hier ein Teil vom HDJ 80, dort ein Stück vom HJ 61... Nur in einem Detail wurde Waldemar den fernöstlichen Geländewagenbauern untreu.
Doch der Reihe nach...

Kraftkur: 4,2-Liter Sechszylinder Turbo
aus dem J6 Station

Interessantes Hebelwerk: Achsperren vorn und hinten.
Den Antrieb besorgt ein guter alter Bekannter:
Der Turbodiesel mit 4,2 Litern Hubraum entstammt einem Landcruiser Station HJ 61.
Mit einem auf 1,0 bar erhöhten Ladedruck und überarbeiteter Einspritzpumpe
ist der Diesel gut bei Kräften,
was gleichzeitig den Einsatz einer Teilsinter-Kupplung
samt verstärkter Druckplatte notwendig machte -
die Serienkupplung
rauchte regelmäßig ab.

Bei den Getrieben probierte Waldemar ein wenig herum. Nach dem letzten Fünfganggetriebe wurde jetzt doch wieder eine vierstufige Einheit montiert: "Das ist robuster, schließlich kann zumindest der fünfte Gang nicht mehr kaputt gehen", erklärt der Bauherr mit breitem Grinsen. Damit sank allerdings auch die Höchstgeschwindigkeit - gottlob: Mit dem langen fünften Gang schaffte der Monster-Toyota auf dem geeichten Tacho 160 km/h, die Schutzengel kamen kaum mit dem Flattern hinterher. Jetzt beläßt es der Eigner, und auch das nur noch gelegentlich, bei den maximal möglichen 140 km/h.


Zweckentfremdet:
Steuerungseinheit
für die Seilwinde

Kippsicher: Trotz gewaltiger Höhe
fällt der Toyota selten um
Damit die Kraft aus dem Drehmoment-Giganten unter der Motorhaube auch wirkungsvoll
auf den Untergrund übertragen wird,
mußten natürlich auch die Originalachsen
dran glauben.
Mittlerweile arbeiten vorne wie hinten Starrachsen aus dem HDJ 80, wobei die Vorderachse ein selbstgefertigter Mix aus HDJ-Innenleben und BJ-Achskörper darstellt. Vorne wie hinten wurden
großzügig dimensionierte Versteifungen
auf die Achsen geschweißt, um dem nicht unbedingt filigranen Landcruiser Kaltverformungen nach höheren Sprüngen zu ersparen.

Nachdem Blattfedern zwar halbwegs robust sind,
allerdings auch eine reichlich simple Achsführung besorgen und zudem bei entsprechender Höherlegung bockhart sind, griff Waldemar zu einigen Fremdteilen:
Mit einem Menü aus Range Rover-Federn eines britischen Zulieferers, selbstgefertigten Querlenkern und den vorne wie hinten verbauten  Serien-Längslenkern der Range Rover-Vorderachse erreichte das Fahrwerk bereits in der ersten Stufe den gewünschten Fahrkomfort und eine maximale Verschränkung. Die Federn fliegen demnächst wieder raus und weichen solchen aus dem HDJ -
Qualitätsprobleme bei den englischen Teilen
lassen den Toyota einseitig leicht durchhängen.


Kräftige Unterstützung:
Doppeldämpfer
an jedem Rad.

Geist aufgegeben:
Das war eine
Kardanwelle
Nach der zuerst erprobten Bereifung im Format 35x12,5 hat sich Waldemar nun eines besseren besonnen:
Die in Amerika weit verbreiteten Super-Swamper- Gummis kamen in der Dimension Q78/15 auf den Landcruiser. Sie sind zwar gleich hoch, aber knapp fünf Zentimeter schmäler. Das bringt spürbar besseren Vortrieb im Schlamm. Um die gewaltigen Schlappen auch vernünftig zu dämpfen, genügten die zunächst erprobten 08/15-Dämpfer aus dem Zubehörhandel nicht. Waldemar hat nun an jedem Rad individuell einstellbare Fox-Dämpfer aus dem amerikanischen Rennsport installiert, die selbst härteste Beanspruchung klaglos wegstecken, mit einem Stückpreis von 800 DM allerdings auch einen Batzen Geld kosten.

Trotz alledem muß die Fuhre ja auch gelegentlich stehenbleiben. Die Serien-Trömmelchen der BJ-Bremsen wären damit schlicht überfordert. Kein Problem für den geübten Bastler: Innenbelüftete Scheibenbremsen
vorne aus dem HDJ 80, hinten normale Scheiben aus dem HJ 61, stoppen den roten Riesen zuverlässig. Die hydraulische Handbremse sorgt dafür, daß das Biest dann auch stehenbleibt.


Größenvergleich: Der Freelander ist nicht tiefergelegt!

Waldemar's Motto: Bodenfreiheit statt Spoiler.
Weil jeder Vortrieb irgendwann einmal zu Ende ist - auch wenn man mit diesem Landcruiser eine Weile suchen muß - darf auch die Seilwinde nicht fehlen. Nachdem der Sechszylinder-Diesel wahrscheinlich nur mit roher Gewalt zu zerstören und kaum zum Absterben zu bewegen ist, griff Waldemar zu einer hydraulischen Winde. Das macht ihn unabhängig von Batterien und braucht nur eine handelsübliche Hydraulikpumpe, die über Keilriemen angetrieben wird. Vorteil der Hydraulik-Winch: Über die Motordrehzahl läßt sich auch die Geschwindigkeit steuern. Im Ernstfall spult die Winde deutlich schneller als elektrische Artgenossen. Dank Schnorchel für den Motor funktioniert das ganze auch im Wasser, auch tiefer als gewöhnlich.

Ein kleines Problem sollte aber nicht verschwiegen werden: Für den Samstags-Großeinkauf ist der rote Landcruiser mittlerweile nicht mehr optimal geeignet. Die Einstiegshöhe liegt bei einem Meter, die Ladekantenhöhe geringfügig darüber, und das Ein- und Aussteigen könnte in Streß ausarten. Da bleibt Waldemar lieber bei seinem ganz normalen HDJ 80 für die Straße und läßt das Spielmobil in der Werkstatt stehen. Bis zum nächsten Einsatz.


Kraftprobe: Japan-Stahl gegen Bayern-Beton.

von:    Torsten Seibt
Fotos: Angelika Pfaff, T.Seibt